Warum Führungskräfte wirklich scheitern: Fachkompetenz reicht nicht

Führungskräfte scheitern nicht an fehlender Fachkompetenz. Sie scheitern, weil sie nicht verstehen, wie Macht funktioniert. Warum politische Kompetenz eine Kernkompetenz strategischer Führung ist.

Warum Führungskräfte wirklich scheitern: Fachkompetenz reicht nicht
Photo by Anthony Tyrrell / Unsplash

Führungskräfte scheitern selten an fehlender Fachkompetenz.

Sie scheitern, weil sie nicht verstehen, wie Macht in Organisationen tatsächlich funktioniert.

Das ist keine Provokation. Das ist die Realität, die ich in 25 Jahren an der Schnittstelle von Politik und Wirtschaft immer wieder beobachtet habe.

Das zentrale Problem: Der Glaube an rationale Systeme

Die meisten Führungskräfte glauben – oft unbewusst – dass Organisationen rationale Systeme sind.

Sie denken, dass:

  1. Formale Hierarchien bestimmen, wer entscheidet
  2. Bessere Argumente sich durchsetzen
  3. Leistung automatisch erkannt wird

Diese Annahmen sind nicht nur falsch. Sie sind gefährlich.

Denn sie führen dazu, dass brillante Führungskräfte mit exzellenter Fachkompetenz systematisch scheitern – nicht weil sie inkompetent sind, sondern weil sie die falschen Spielregeln anwenden.

Die Realität: Organisationen sind politische Systeme

Lassen Sie mich die drei zentralen Irrtümer einzeln aufklären:

Irrtum 1: „Formale Hierarchien bestimmen, wer entscheidet"

Die Realität: Entscheidungen folgen informellen Machtstrukturen.

Das Organigramm zeigt Ihnen, wer wem formal berichtet. Aber es zeigt Ihnen nicht, wer wirklich Einfluss hat.

Der VP mag formal entscheiden. Aber er fragt vorher:

  • Den langjährigen Kollegen, dem er vertraut
  • Den Berater, der sein Ohr hat
  • Den CFO, der seine Karriere fördern kann

Diese Menschen stehen nicht zwingend immer über ihm im Organigramm. Aber sie haben mehr Einfluss auf seine Entscheidung als sein gesamtes Team.

Das ist das informelle Netzwerk. Und es ist mächtiger als jede formale Struktur.

Wer nur das Organigramm sieht, sieht nicht, wo Macht wirklich liegt.

Irrtum 2: „Bessere Argumente setzen sich durch"

Die Realität: Argumente verlieren gegen versteckte Agenden.

Sie haben die beste Lösung. Die Daten sind klar. Die Logik ist zwingend.

Und trotzdem wird Ihr Vorschlag blockiert.

Warum?

Weil Entscheidungen nicht nach Logik fallen. Sie fallen nach Interessen.

Der Stakeholder, der gegen Sie ist, ist nicht gegen Ihre Lösung. Er ist für seine Agenda:

  • Er will Budget für sein Projekt
  • Er fürchtet Machtverlust
  • Er unterstützt einen Konkurrenten
  • Er hat eine persönliche Geschichte mit Ihrem Sponsor

Das sind keine rationalen Argumente. Das sind politische Positionen.

Und politische Positionen werden nicht durch bessere Argumente überwunden. Sie werden durch bessere Allianzen überwunden.

Irrtum 3: „Leistung wird automatisch erkannt"

Die Realität: Leistung braucht politische Rückendeckung.

Sie liefern brillante Arbeit. Ihr Projekt ist ein Erfolg. Ihr Team übertrifft alle Ziele.

Und trotzdem: Die Beförderung geht an jemand anderen.

Warum?

Weil Leistung allein nicht reicht. Leistung muss:

  • Von den richtigen Menschen gesehen werden
  • Im richtigen Kontext interpretiert werden
  • Von mächtigen Stakeholdern unterstützt werden

Ohne politische Rückendeckung ist Leistung unsichtbar.

Es gibt in jeder Organisation viele Menschen, die exzellente Leistung bringen. Aber es gibt nur wenige Beförderungen pro Jahr.

Die Frage ist nicht: „Wer leistet am meisten?"

Die Frage ist: „Wen unterstützen die Entscheider?"

Und diese Entscheidung ist politisch.

Die Konsequenz: Gestalten oder gestaltet werden

Wer diese Mechanismen nicht versteht, wird gestaltet – statt selbst zu gestalten.

Sie reagieren auf Entscheidungen, die andere getroffen haben. Sie wundern sich über Blockaden, die Sie nicht kommen sahen. Sie scheitern an Widerständen, die Sie nicht durchschauen.

Das ist nicht Ihre Schuld. Aber es ist Ihre Verantwortung.

Denn: Politische Kompetenz ist keine Option. Sie ist eine Kernkompetenz strategischer Führung.

Was politische Kompetenz bedeutet

Politische Kompetenz bedeutet nicht:

  • Manipulation
  • Intrigen
  • Rücksichtslosigkeit

Politische Kompetenz bedeutet:

  • Verstehen, wie Macht in Ihrer Organisation funktioniert
  • Erkennen, welche informellen Strukturen Entscheidungen prägen
  • Navigieren, zwischen widersprüchlichen Interessen
  • Aufbauen von strategischen Allianzen
  • Durchsetzen Ihrer Agenda – ethisch, aber wirksam

Es ist die Fähigkeit, in komplexen politischen Systemen zu führen. Ohne naiv zu sein. Ohne zynisch zu werden.

Die drei Phasen politischer Meisterschaft

In meiner Arbeit mit Executives folge ich einem klaren System, das ich über 25 Jahre entwickelt habe:

DURCHSCHAUEN:
Die Machtstrukturen verstehen. Die versteckten Agenden erkennen. Die informellen Netzwerke analysieren.

AUFBAUEN:
Strategische Allianzen bilden. Sponsoren gewinnen. Politische Rückendeckung schaffen.

DURCHSETZEN:
Ihre Agenda wirksam umsetzen. Widerstände überwinden. Ergebnisse liefern.

Das ist nicht Theorie. Das ist systematische Praxis.

Fazit: Fachkompetenz ist die Eintrittskarte. Politische Kompetenz ist das Spiel.

Sie brauchen Fachkompetenz, um auf Executive-Level zu kommen.

Aber Sie brauchen politische Kompetenz, um dort erfolgreich zu sein.

Wer das versteht – und entsprechend handelt – gestaltet seine Karriere selbst.

Wer es ignoriert, wird von anderen gestaltet.

Die Wahl liegt bei Ihnen.


Über den Autor:

Markus Krahnke ist Gründer von OFFICEPOLITICS® und Executive Coach für Führungskräfte in komplexen Machtdynamiken. Mit 25 Jahren Erfahrung an der Schnittstelle von Politik und Wirtschaft unterstützt er C-Level Executives, Abteilungsleiter und Head-of-Verantwortliche dabei, strategische Macht ethisch aufzubauen und wirksam einzusetzen.